Texte des Mittenwalder Salons am 22.9.2206
Vera Schindler-Wunderlich
Alptraum
Jemand weiss, jemand schreibt,
wie: ein Konzept, gibt Gas, tritt in
Kraft, Berg voll Links, schwimmt
im, schwimmt sein Kopf im Sumpf,
halb Back, halb Werk. [Halb drei.]
Mach hell, mach hell. [Macht hell.]
Alles Bett, Bett. – Doch psst,
jemand rennt, jemand wühlt,
pflückt Zahl, ein Gebell, stich Wort,
Wissen her, wie. Wer kennt diese
Hand, diesen Link, diesen hint;
mein liebes, liebes Amt, mein
Papier; am Steuer das Konzept,
rast vor [halb vier], gibt Gas, grüsst
Zimmer fünf. – Wir sind für uns da,
ein Biss dieser Nacht. Mach hell,
bell auf, schreib ab [halb acht].
Es war acht
Es war acht: Wir zogen
Prozesse, wir begossen
den üblichen Morgen mit Tee,
wir fütterten den Vordergrund;
es war neun. Ich, eklig:
Ich bin ein Teilprojekt.
Ich bin ein reiner Antrag.
Ich bin ein häufiges Verfahren;
ich bin schon Revision.
Es war zwei, eins war klar:
Nichts war entschieden, doch:
Hinlänglich sollte man schon.
Was sind wir feige Fugen,
dachten wir bis fünf. Doch du:
Ich bin ein Teilprojekt;
ich bin ein kleiner Antrag.
Ich bin hinlänglich sicher:
Ich bin bereits erfolgt.
Es wurde acht: Wir flogen
Prozesse, wir kippten
Zeilen, wir schrieben uns ab.
Frage: Was wird eigentlich aus unseren
Stellen?
Antwort: Man fasst, befasst mit dieser Frage sich,
vielleicht gibts Fisch, vielleicht mit dieser
Frage. Da immerhin am Mittag, Teilprojekt,
man nimmt sich vor, so fest aufgrund von
gestern. Gelegentlich, von morgen her,
und hat sich vorgenommen, Fisch, doch
jetzt noch nicht, das spielt sich ein,
so fern am Tisch, entfällt der Abzug gern.
Erfolglich später, immer hin am Schluss.
Und endlich fasst, befasst sich, her damit.
Gelegentlich maßgeblich Dank, wir wissen,
schallt im All die Frage Frage, Teil des
Hirns Hirns, befasst mit dieser dieser
Frage:
Maiabend I
Weiß was, es ist Maiabend,
das liest sich an diesem Maiabend.
Die Berge schimmern so für sich,
die Stare schneien schwarz über
den Hinundher-Himmel.
Weiß was, es ist Bergfrieden, die Berge,
sie lesen sich so für sich.
Die Leute wären einschlägig, wären sie hier
an diesem weißen, zwitschernden Abend,
so endlich für sich.
Parlament
All das Heißen, das Gutheißen,
das Billigen: der Pärke, der Panzer,
der glänzenden Schienen,
der Mittel, der Saal
der endlosen Bienen, das ewige
Zimmern, dauernde Schaufeln.
Dies war der Tag,
der Tag der Schwämme, der Tag
des Tages, des sägenden Antrags.
Doch all das Heißen, der ganze Samt,
erhebliche Glanz, angebliche
Honig. Das Billigen der
Bienen, glänzende Zimmern,
der Panzer des Antrags, erhältlich
im Saal.
Wir sind, doch wir fallen noch
an, und wir sind auch
im Druck, erhältlich
im Saal.
Nicht wahr, Geld
Nicht wahr: Geld ist eben nicht Geld: Geld
kommt daher in tausend Formen: als Mozart-
Sonate, als guter Name, was man sich spart,
als virtuelle Obhut, News, quod libet. Geld bellt
als Muh, sprich Cashcow, als Kinderbelang,
als Vorkommnis jeglichster Art, als unbar, Judas’
Evangelium, als Tonne Teer, als tu du was
für dich, als schnatterndes Update, satter Abgang.
Hier sind sie, die Metamorphosen von Geld: als Fett
und dessen Abbau, Hamster dieser Welt, als Schecks,
als schneller casus belli, als virtuell verquaster Sex,
als Als-ob-Option, als Sakrileg, als Öl, als olet.
Wär Geld nicht Geld wär quid pro quo nicht wahr,
wär Muh kein Ablass, Schuld nicht updatebar.
(Inspiriert durch ein Votum des Schweizer Finanzministers aus der Ständeratsdebatte vom 14. März 2006.)
Vera Schindler-Wunderlich
gelesen am 22.9.2006
Alptraum
Jemand weiss, jemand schreibt,
wie: ein Konzept, gibt Gas, tritt in
Kraft, Berg voll Links, schwimmt
im, schwimmt sein Kopf im Sumpf,
halb Back, halb Werk. [Halb drei.]
Mach hell, mach hell. [Macht hell.]
Alles Bett, Bett. – Doch psst,
jemand rennt, jemand wühlt,
pflückt Zahl, ein Gebell, stich Wort,
Wissen her, wie. Wer kennt diese
Hand, diesen Link, diesen hint;
mein liebes, liebes Amt, mein
Papier; am Steuer das Konzept,
rast vor [halb vier], gibt Gas, grüsst
Zimmer fünf. – Wir sind für uns da,
ein Biss dieser Nacht. Mach hell,
bell auf, schreib ab [halb acht].
Es war acht
Es war acht: Wir zogen
Prozesse, wir begossen
den üblichen Morgen mit Tee,
wir fütterten den Vordergrund;
es war neun. Ich, eklig:
Ich bin ein Teilprojekt.
Ich bin ein reiner Antrag.
Ich bin ein häufiges Verfahren;
ich bin schon Revision.
Es war zwei, eins war klar:
Nichts war entschieden, doch:
Hinlänglich sollte man schon.
Was sind wir feige Fugen,
dachten wir bis fünf. Doch du:
Ich bin ein Teilprojekt;
ich bin ein kleiner Antrag.
Ich bin hinlänglich sicher:
Ich bin bereits erfolgt.
Es wurde acht: Wir flogen
Prozesse, wir kippten
Zeilen, wir schrieben uns ab.
Frage: Was wird eigentlich aus unseren
Stellen?
Antwort: Man fasst, befasst mit dieser Frage sich,
vielleicht gibts Fisch, vielleicht mit dieser
Frage. Da immerhin am Mittag, Teilprojekt,
man nimmt sich vor, so fest aufgrund von
gestern. Gelegentlich, von morgen her,
und hat sich vorgenommen, Fisch, doch
jetzt noch nicht, das spielt sich ein,
so fern am Tisch, entfällt der Abzug gern.
Erfolglich später, immer hin am Schluss.
Und endlich fasst, befasst sich, her damit.
Gelegentlich maßgeblich Dank, wir wissen,
schallt im All die Frage Frage, Teil des
Hirns Hirns, befasst mit dieser dieser
Frage:
Maiabend I
Weiß was, es ist Maiabend,
das liest sich an diesem Maiabend.
Die Berge schimmern so für sich,
die Stare schneien schwarz über
den Hinundher-Himmel.
Weiß was, es ist Bergfrieden, die Berge,
sie lesen sich so für sich.
Die Leute wären einschlägig, wären sie hier
an diesem weißen, zwitschernden Abend,
so endlich für sich.
Parlament
All das Heißen, das Gutheißen,
das Billigen: der Pärke, der Panzer,
der glänzenden Schienen,
der Mittel, der Saal
der endlosen Bienen, das ewige
Zimmern, dauernde Schaufeln.
Dies war der Tag,
der Tag der Schwämme, der Tag
des Tages, des sägenden Antrags.
Doch all das Heißen, der ganze Samt,
erhebliche Glanz, angebliche
Honig. Das Billigen der
Bienen, glänzende Zimmern,
der Panzer des Antrags, erhältlich
im Saal.
Wir sind, doch wir fallen noch
an, und wir sind auch
im Druck, erhältlich
im Saal.
Nicht wahr, Geld
Nicht wahr: Geld ist eben nicht Geld: Geld
kommt daher in tausend Formen: als Mozart-
Sonate, als guter Name, was man sich spart,
als virtuelle Obhut, News, quod libet. Geld bellt
als Muh, sprich Cashcow, als Kinderbelang,
als Vorkommnis jeglichster Art, als unbar, Judas’
Evangelium, als Tonne Teer, als tu du was
für dich, als schnatterndes Update, satter Abgang.
Hier sind sie, die Metamorphosen von Geld: als Fett
und dessen Abbau, Hamster dieser Welt, als Schecks,
als schneller casus belli, als virtuell verquaster Sex,
als Als-ob-Option, als Sakrileg, als Öl, als olet.
Wär Geld nicht Geld wär quid pro quo nicht wahr,
wär Muh kein Ablass, Schuld nicht updatebar.
(Inspiriert durch ein Votum des Schweizer Finanzministers aus der Ständeratsdebatte vom 14. März 2006.)
Vera Schindler-Wunderlich
gelesen am 22.9.2006
schoenfeldt - 5. Nov, 12:03
1 Kommentar - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
jacks enkelin - 14. Okt, 21:35
Tretmühle mit Atempause (I)
Die Gedichte unterscheiden sich vor allem im Tempo, das im ersten Gedicht, "Alptraum", wirklich alptraumartig ist. Es ist mit "Alptraum" sehr treffend überschrieben, wirkt hektisch, verworren, wie ein Traum, in dem bizarre Situationen wild durcheinander wirbeln. Wird in diesem Traum wohl ein reichlich vollgepackter Tag verarbeitet?
"Es war acht": ruhiger als der vorangegangene Text, der Büroalltag wird geschildert. Köstlich und witzig: Der Tag wird mit Tee begossen. Die Perspektive, aus der teilweise geschrieben wird, ist ungewöhnlich: ein Projekt, Konzept oder Arbeitspapier, irgendein Schriftstück. Der Ausspruch "Was sind wir feige Fugen" ist rätselhaft. Immerhin machen sich aufeinander folgende Worte, die mit demselben Buchstaben anfangen, gut. In diesem Fall wäre es vielleicht noch interessanter, die Fugen durch Feigen zu ersetzen, also feige Feigen. Gleicher Klang, aber völlig verschiedene Bedeutungen. Immerhin heißt auch "Fuge" mindestens zweierlei: Ist hier die musikalische Kunst derselben gemeint oder der Abstand zwischen Fliesen?
"Frage: Was wird eigentlich aus unseren Stellen" ist wieder näher am Alptraum, wenn auch weniger hektisch. Der Titel drückt Sorge um den Arbeitsplatz aus, steht vielleicht sogar an sich für Zukunftsangst. Das Gedicht selbst wirkt wie Stimmengewirr: Äußerungen und Kommentare, die Arbeit betreffend, werden durch den Gedanken ans Essen unterbrochen. Oder ist die Frage, ob es Fleisch oder Fisch gibt, symbolisch zu verstehen, dass etwas "weder Fisch, noch Fleisch" ist, also nichts Genaues, undefinierbar, unausgegoren, vage?
"Maiabend I" lässt unwillkürlich aufatmen, zur Ruhe kommen, Abstand von der Tretmühle im Job. Berge, die im Abendrot schimmern, Vogelgezwitscher, das alles ist da, ob wir es wahrnehmen oder nicht. Man führt sich in die Schweizer Berge entführt, oder wenigstens in die Nähe, auf den Balkon einer Wohnung, wo man - mit einem Glas Sekt in der Hand - den Tag ruhig ausklingen lässt, die Aussicht genießt. "Die Leute wären einschlägig, wären sie hier" ist rätselhaft. Ist hier "von einem Schlag" gemeint, also im Charakter, vom Wesen ähnlich, vielleicht schlicht, pragmatisch, naturverbunden? Die Raben lassen vermuten, dass die Idylle nicht gänzlich ungetrübt ist, etwa der folgende Tag, der wieder neue Herausforderungen mit sich bringt.
Mit "Parlament" holt einen auch folgerichtig der Alltag wieder ein. Allein der Gedanke daran wirkt auf mich so ermüdend, dass ich dieses und die noch folgenden Gedichte vielleicht später einmal kommentiere.
"Es war acht": ruhiger als der vorangegangene Text, der Büroalltag wird geschildert. Köstlich und witzig: Der Tag wird mit Tee begossen. Die Perspektive, aus der teilweise geschrieben wird, ist ungewöhnlich: ein Projekt, Konzept oder Arbeitspapier, irgendein Schriftstück. Der Ausspruch "Was sind wir feige Fugen" ist rätselhaft. Immerhin machen sich aufeinander folgende Worte, die mit demselben Buchstaben anfangen, gut. In diesem Fall wäre es vielleicht noch interessanter, die Fugen durch Feigen zu ersetzen, also feige Feigen. Gleicher Klang, aber völlig verschiedene Bedeutungen. Immerhin heißt auch "Fuge" mindestens zweierlei: Ist hier die musikalische Kunst derselben gemeint oder der Abstand zwischen Fliesen?
"Frage: Was wird eigentlich aus unseren Stellen" ist wieder näher am Alptraum, wenn auch weniger hektisch. Der Titel drückt Sorge um den Arbeitsplatz aus, steht vielleicht sogar an sich für Zukunftsangst. Das Gedicht selbst wirkt wie Stimmengewirr: Äußerungen und Kommentare, die Arbeit betreffend, werden durch den Gedanken ans Essen unterbrochen. Oder ist die Frage, ob es Fleisch oder Fisch gibt, symbolisch zu verstehen, dass etwas "weder Fisch, noch Fleisch" ist, also nichts Genaues, undefinierbar, unausgegoren, vage?
"Maiabend I" lässt unwillkürlich aufatmen, zur Ruhe kommen, Abstand von der Tretmühle im Job. Berge, die im Abendrot schimmern, Vogelgezwitscher, das alles ist da, ob wir es wahrnehmen oder nicht. Man führt sich in die Schweizer Berge entführt, oder wenigstens in die Nähe, auf den Balkon einer Wohnung, wo man - mit einem Glas Sekt in der Hand - den Tag ruhig ausklingen lässt, die Aussicht genießt. "Die Leute wären einschlägig, wären sie hier" ist rätselhaft. Ist hier "von einem Schlag" gemeint, also im Charakter, vom Wesen ähnlich, vielleicht schlicht, pragmatisch, naturverbunden? Die Raben lassen vermuten, dass die Idylle nicht gänzlich ungetrübt ist, etwa der folgende Tag, der wieder neue Herausforderungen mit sich bringt.
Mit "Parlament" holt einen auch folgerichtig der Alltag wieder ein. Allein der Gedanke daran wirkt auf mich so ermüdend, dass ich dieses und die noch folgenden Gedichte vielleicht später einmal kommentiere.
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